Warum wir nicht ins Handeln kommen. Und wie Coaching dabei hilft.

„Handeln kommt von HAND und nicht von Mund. Also weniger reden und mehr machen!“

Sowas hat mein Großvater immer gerne zu mir gesagt. Und er hatte recht: Die meisten Probleme oder Herausforderungen löst man schlussendlich nicht im Kopf, sondern durch überlegtes Handeln und durch das Feedback, das das Leben dann großzügig zur Verfügung stellt. Wir müssen also ins Handeln kommen, dann erfahren wir die Lösung.

Doch manchmal fangen wir gar nicht erst an. Und wissen selbst nicht warum.

Wir haben alle notwendigen Informationen erhalten, unser Kopf ist mit seinen Überlegungen fertig. Konsequenterweise müsste ich jetzt meinem großartigen Zeitplan folgen und eine halbe Stunde laufen, danach die kalorienarme Variante meines Mittagessens wählen oder die etwas rauhe Email meines Vorgesetzten beantworten, etc.

Wir wissen genau, was gut für uns wäre oder welche Aufgabe da auf uns wartet. Was auch immer, es gibt einen Teil in uns, der vernünftig, logisch und rational „weiß“, dass dies getan werden sollte.

Und zwar von mir. Jetzt.

Und dann gibt es noch einen Teil, der in solchen Fällen klar macht: „Will aber nicht“, „Hab keine Lust.“

Und dann passiert nichts. Rein gar nichts.

Das Tröstliche daran: es geht allen Menschen von Zeit zu Zeit so. Bei vielen Kleinigkeiten ist das nicht schlimm. Wenn es aber um etwas Wichtiges geht, wie unsere Gesundheit oder unsere Lebensperspektive, dann sollten wir etwas unternehmen. Vielen ist dabei nicht klar, dass das eine vollkommen normale menschliche Reaktion ist und dass man dafür manchmal Unterstützung braucht. Scham oder Schuld ist - ganz anders als vielleicht viele denken - NICHT HILFREICH. Ganz im Gegenteil: diese Emotionen blockieren uns noch mehr.

 Wieso kommen wir also nicht weiter?

Es liegt schlicht am menschlichen System der Informationsverarbeitung: Unser psychisches System hat zwei Stellen in denen Informationen aufgenommen und bewertet werden: den Verstand und das, was als das Unbewusste (= unbewusst arbeitendes, emotionales Erfahrungsgedächtnis) bezeichnet wird. Dieses Unbewusste hat rein gar nichts mit irgendwelchen abgehobenen spirituellen oder esoterischen Ideen zu tun. Ganz im Gegenteil: die Funktionsweise unbewusster Informationsverarbeitung ist mittlerweile sehr gut erforscht z.B. von dem Neurobiologen Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth, der den Life Achievement Award 2019 für sein Lebenswerk erhalten hat. Eine kleine Recherche lohnt sich!

Die Umsetzung ist das Problem

Unser Verstand ist zumeist logisch, folgerichtig und rational. So ist am Ende einer Beratung klar, was zu tun ist. Der Arzt sagt, ich muss etwas Gewicht verlieren, anders essen und mich mehr bewegen, damit mein Herzinfarkt-Risiko sinkt. Verstanden. Zeitmanagement: Plan steht. Also los.

Spätestens in der zweiten Woche greife ich bei Kaffee und Kuchen aber auch wieder zum Kuchen (oder zum zweiten Stück…), seit dem dritten Tag habe ich meine Laufstrecke stark verkürzt, gehe eigentlich nur noch spazieren und die Waage betrete ich aus Frust eh nicht mehr. Gedanklich bin ich bei „Das alles ist so aufwendig, macht keinen Spaß und ich will auch nicht mehr. …wird schon irgendwie gut gehen.“

Was ist passiert?

Die beiden Bewertungsinstanzen sind sich nicht einig: Der Verstand hat die Handlungsanweisung positiv bewertet, aber das Unbewusste nicht. Es kann sich nicht in Worten ausdrücken, sondern nur in Körperempfindungen und Gefühlen. Es geht nur angenehm oder unangenehm. Mag ich, mag ich nicht. Und das können wir irgendwo im Körper verorten, irgendwo wird es dann z.B. eng, wie beim Kloß im Hals. Oder aber auch leicht und angenehm, wie bei den Schmetterlingen im Bauch.

Das nennt man in der Psychologie übrigens somatische Marker, nach Prof. Dr. António Damásio (auch ein Neurowissenschaftler) oder affektiv-somatische Marker.

Jemand nimmt also nicht deswegen nicht ab, weil er nicht diszipliniert genug ist, oder weil er noch nicht tiefgehend genug verstanden hat, wie negativ die Konsequenzen des Übergewichts tatsächlich sind. Jemand anderes macht nicht deswegen keinen Sport, weil der Arzt die Diabetes-Informationen nicht exakt oder dramatisch genug dargestellt hat. Der Verstand hat das alles verarbeitet, bewertet und es ist vollkommen klar, was zu tun ist.

Deswegen fühlen wir uns ja auch so hilflos: „Ich weiß, ich sollte… aber irgendwie geht es nicht.“

 

Das heisst: wenn unsere beiden Bewertungssysteme nicht synchronisiert sind, dann kommen wir nicht ins Handeln. Punkt.

 

Wie Coaching hilft.

Wenn ich als Coach, Berater oder auch Therapeut nicht BEIDE Systeme berücksichtige, dann bin ich bei der Arbeit mit meinen Kunden nur „zufällig“ erfolgreich, d.h. ich bin es nur in den Fällen in denen die Bewertungen beider Systeme eh schon in die gleiche Richtung gingen. Bevor jemand zu mir kam.

Im anderen Fall, wenn das unbewusst arbeitende emotionale Erfahrungsgedächtnis anderer Meinung ist als unser Verstand, dann braucht es eine außenstehende Person, die das, was dem Kunden eben nicht bewusst ist (das Unbewusste) sehen und in die Wahrnehmung des Kunden bringen kann.

Davon ausgehend wird dann ein Prozess begonnen (z.B. nach dem Zürcher Ressourcenmodell), der ein Annäherungsziel definiert. Das ist ein Ziel, das man auch wirklich will, das gute Gefühle auslöst und das, das unbewusst arbeitende emotionale Erfahrungsgedächtnis mit einbezieht. Das ist der erste Schritt, um von einer Idee oder einer Einsicht ins tatsächliche Handeln zu kommen. Es ist eben auch ein Reifeprozess. Und der braucht manchmal ein wenig Zeit. Und Unterstützung.

In diesem Sinne an alle: Frohes SCHAFFEN!