Was ist eigentlich das Problem mit den Doktorarbeiten?!

An und für sich gibt es kein Problem, das nur die Doktorarbeit betrifft. Also kein immanentes spezifisches Problem. Und trotzdem. Wenn man sich die Veröffentlichungen im Netz dazu ansieht könnte man meinen es wäre so. “Wie habt ihr das gemacht?”, “Hattest Du auch dieses oder jenes” “Ich bin immer gestresst und bekomme nichts aufs Papier”, etc.

Woran liegt das?

Viele Doktoranden haben extrem hohe Erwartungen an sich selbst, ohne das tatsächlich zu realisieren. Sie fühlen sich unter Druck und denken das wäre normal. Man ist schliesslich Doktorandin/Doktorand. Dabei ist die Dissertation einfach eine wissenschaftliche Qualifikationsarbeit. Es ist das Eintrittsticket in eine akademische Laufbahn. Damit muss man nicht die Welt retten können. Dem kann man sich ja noch später in der eigenen akademischen Laufbahn widmen.

Andere haben bestimmte Kompetenzen nicht erworben und setzten sich selbst unter Druck, weil sie das (was immer das ist) nicht so gut können. Dabei macht es mehr Sinn, der Realität ins Auge zu blicken und diese Skills zu erwerben, z.B. ein Kurs (Statistik?). Oder die Beratung des Statistik-Lehrstuhls zu nutzen, die es an vielen Unis gibt. Oder einen Kurs zum wissenschaftlichen Schreiben zu belegen, wenn es das ist was fehlt. Die gibt es mittlerweile auch an vielen Unis. Wenn ihr keinen findet, meldet euch, ich leite gerne die Kontaktdaten eines solchen Schreib-Coachs weiter.

Selbststeuerung statt Fremdsteuerung

Was aber auf die meisten Doktoranden zutrifft: man muss sich das erste Mal selbst organisieren und steuern, also sich und die Arbeit. Das war bisher im Studium nicht so und so richtig vorbereitet wurde darauf auch niemand. Aber es ist so: Doktorarbeit schreiben ist meist einsam und wird nur mit hoher Selbststeuerung erfolgreich abgeschlossen.
Und das fällt vielen schwer:

  • Die Termine mit sich selbst ernstzunehmen.

  • Die festgelegten Arbeitszeiten einzuhalten. Auch wenn niemand anderes überprüft, ob man da ist und was man in der Zeit macht, Stichwort: Phantomarbeitszeit

  • Pausen zu planen und auch zu umzusetzen - egal wie weit man ist.

  • Abends zu festen Zeiten aufzuhören, "Ab wann habe ich heute eigentlich frei?"

  • Herauszufinden, wie man selbst am besten funktioniert und arbeitet . . .

Müssen also alle elektronischen Geräte aus sein, damit ich innerlich zur Ruhe komme und mich wirklich konzentrieren kann (einfach mal ausprobieren - wirkt für viele wahre Wunder)? Sollten andere Menschen um mich herum sein, weil ich einen gewissen Lärmpegel einfach brauche (ich habe einige solche Kunden)? Arbeite ich gerne draussen? Oder wechsele ich die Umgebung je nach Aufgabe? Die Freiheiten, die die Doktorarbeitsphase bietet, bitte unbedingt nutzen!

Aus meiner Erfahrung ist das eine der größten Herausforderungen während der etwa 3jährigen Doktorarbeitszeit: sich selbst und den eigenen Arbeitsstil kennenzulernen, um dann den größten Nutzen daraus zu ziehen. Das zu wissen und anwenden zu können, ist auch ein enormer Vorteil fürs Arbeitsleben! Viele Menschen, die Probleme mit Stress haben, können das nicht besonders gut.

Deswegen kann ich auch kein bestimmtes Zeitmanagement-Konzept empfehlen (danach werde ich oft gefragt). Es geht eben nicht darum, das Konzept zu finden, sich möglichst gut anzupassen und irgendwie durchzukommen. Das funktioniert für die wenigsten. Vielmehr kann diese Doktorarbeitsphase als Design-Prozess verstanden werden: was passt gut zu meinem Arbeitsstil, was hilft mir, was macht mich produktiv, wann arbeite ich am besten, wie lange am Stück kann ich arbeiten, wann brauche ich Pausen, etc.? Und all das bitte so beantworten, dass man es auch langfristig durchhalten kann.
Die Dissertation ist ein Marathon, kein Sprint.

In diesem Sinne: frohes Schaffen!

Andrea Szameitat